Alle 15 Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die Diagnose Blutkrebs. Bringen Strahlen- und Chemotherapien keinen ausreichenden Erfolg, ist eine Stammzelltransplantation oft die letzte Chance, geheilt zu werden. Nur etwa ein Drittel aller Blutkrebspatienten findet einen Spender innerhalb der Familie – Alle anderen sind demnach auf Fremde angewiesen, die bereit sind, einen Teil ihrer Stammzellen zu spenden. Jeder zehnte Patient findet gar keinen Spender.
Eine solche Statistik hat mich vor drei Jahren, kurz nach meinem 18. Geburtstag, dazu veranlasst, mich bei der DKMS zu registrieren. Dazu musste ich zunächst nur online ein Formular ausfüllen und bekam ein paar Tage später das Registrierungsset samt Infomaterial, Stäbchen und Anleitung bequem per Post nach Hause geschickt. Stäbchen rein, Spender sein – ist genau so einfach, wie es klingt. Laut DKMS kommt es bei weniger als 5 von 100 potenziellen Spendern in den ersten 10 Jahren nach der Registrierung zu einer Stammzellspende. Ich bin diesbezüglich also eher die Ausnahme und möchte deshalb hier von meiner Spende berichten.
Anfang Mai diesen Jahres bekam ich von der DKMS die Nachricht, dass ich als Stammzellspenderin für einen Blutkrebspatienten in Frage komme. Zwei Tage später saß ich bereits bei meinem Hausarzt, da für einen genaueren Test Blut abgenommen werden musste. Die Gewebemerkmale von Spender und Patient müssen zu 100% übereinstimmen, damit der Körper die Zellen annimmt – Man spendet also sozusagen an seinen genetischen Zwilling. Es dauerte circa drei Wochen, bis ich die Nachricht erhielt, dass ich die passende Spenderin bin. In einem Telefongespräch mit der DKMS wurde mir dann ausführlich alles rund um die Stammzellspende erklärt.
Eine Stammzellspende wird in 80% der Fälle als periphere Stammzellspende durchgeführt. Das bedeutet: Es wird Blut entnommen, die Stammzellen „herausgefiltert“ und alle anderen Bestandteile in die Blutbahn zurückgeführt (sieht also auch erstmal so aus wie bei einer normalen Blut- oder Blutplasmaspende). Das Verfahren dauert etwa 4-8 Stunden und wird meist an einem, manchmal auch an zwei aufeinander folgenden Tagen durchgeführt.
In 20% der Fälle wird dem Spender in einer OP unter Vollnarkose Knochenmark entnommen. Welches Verfahren gewählt wird, richtet sich zunächst nach dem Stammzell-Empfänger, aber natürlich werden auch gesundheitliche und persönliche Faktoren des Spenders berücksichtigt. Auch hier gehöre ich wieder in die Kategorie der ungewöhnlicheren Fälle: Mein genetischer Zwilling brauchte eine Knochenmarkspende. Natürlich gibt es jederzeit die Möglichkeit, Nein zu sagen, aber für mich war schnell klar, dass ich auf jeden Fall spenden möchte. Da vor allem die Operation oft vor einer Registrierung abschreckt (und mich zugegeben im ersten Moment auch verunsichert hat), bin ich froh, an dieser Stelle mit ein paar Unklarheiten und Gerüchten aufräumen zu können.
Was den meisten oft nicht klar ist: Das Knochenmark hat nichts mit dem Rückenmark zu tun! Knochenmark existiert praktisch in jedem Knochen und ist verantwortlich für die Bildung von Blutzellen. Im Beckenknochen befindet sich die größte Menge blutbildender (Stamm-)Zellen. Bei der OP wird daher mit einer Nadel am hinteren Becken Knochenmark entnommen, um möglichst viele Stammzellen zu gewinnen. Die Entnahme wird zwar in Bauchlage vorgenommen, ist allerdings weit entfernt von Wirbelsäule und Rückenmark (und somit auch vom Nervensystem – also keine Panik).
Um vor der Spende mögliche Risiken für den Spender auszuschließen, wird jeder zunächst zu einem großen Gesundheitscheck eingeladen. Die DKMS arbeitet mit spezialisierten Partnerkliniken zusammen, in denen die Voruntersuchung und ein paar Wochen später auch die Stammzell-/Knochenmarkspende durchgeführt werden.
Die nächstgelegene Klinik für mich befand sich in Köln, wo ich dann zum ersten Mal im Juni zum Check-Up hinfuhr. Neben einem ausführlichen Arztgespräch zur bisherigen Krankengeschichte und dem genauen Vorgang der Spende wurde unter anderem Blut abgenommen, ein EKG gemacht und eine Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane durchgeführt.
Mitte Juli stand dann der Tag meiner Spende an. Am Vortag der OP fuhr ich mit dem Zug nach Köln und wurde in der Klinik aufgenommen. Da jeder Spender auf Kosten der DKMS eine Begleitperson mitbringen darf, konnte ich noch einen gemütlichen Abend mit meiner Mutter in der Stadt verbringen, bevor der nächste Morgen mit den Vorbereitungen für die OP startete.
Auf dem Weg zum OP-Saal war meine Aufregung natürlich groß, immerhin war dies die erste Operation in meinem Leben. Als ich eine Stunde später langsam wieder wach wurde, war der Schmerz am Rücken erstmal deutlich zu spüren, aber nach ein wenig Schmerzmittel, ausreichend Bettruhe und dem ersten Essen an diesem Tag schnell vergessen.
Bereits am nächsten Morgen konnte ich die Klinik mit zwei kleinen Pflastern am Rücken wieder verlassen. Sport und jegliche Anstrengung waren für die nächsten zwei Wochen verboten, doch ansonsten gab es außer einem leichteren Schmerz, der circa eine Woche anhielt, keine Einschränkungen. Das Knochenmark kann der Körper innerhalb weniger Wochen vollständig regenerieren. Geblieben sind mir heute zwei winzige Narben, die für alle Unwissenden wohl kaum sichtbar sind. Mich wird es für immer an meine Spende erinnern.
Schon ein paar Stunden nach der OP hatte ich von der DKMS einige wenige Informationen zum Empfänger meiner Stammzellen bekommen: Mein Knochenmark war auf dem Weg in die USA zu einer ca. 30-jährigen Frau. Genauere Angaben sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nicht erlaubt, da für die ersten zwei Jahre zunächst eine Anonymitätsfrist besteht, in der keine persönlichen Daten ausgetauscht werden dürfen. Trotzdem ist es möglich, über anonyme Briefe, die die DKMS weiterleitet, Kontakt aufzunehmen. Vor einigen Wochen habe ich das erste Mal Post erhalten: ein selbstgemaltes Bild der Tochter meiner Stammzell-Empfängerin. Ein kleines Zeichen, über das ich mich riesig gefreut habe. Für mich gibt es nichts Schöneres, als zu wissen, dass ich jemandem mit ein paar Tagen meiner Zeit und einem Teil meiner Stammzellen eine Chance auf ein neues, gesundes Leben geben konnte.
Auch bei der Westfalen AG gab es im letzten Jahr eine Typisierungsaktion, bei der sich einige Mitarbeiter als Spender registriert haben. Neben der Übernahme der Kosten, die der DKMS für die Registrierung eines Spenders entstehen, spendete die Westfalen AG außerdem 4000€, um die Organisation im Kampf gegen Blutkrebs zu unterstützen. Mit jeder weiteren Registrierung kommen wir dem Ziel näher, irgendwann für jeden Patienten einen passenden Spender zu finden. Also: Stäbchen rein – Spender sein!
Viele Grüße,
Marie Junker
Hallo Frau Junker,
ein ganz toller Bericht – total beeindruckend und interessant geschrieben. Ich denke, dass Sie mit diesem Blogbeitrag viele ermutigen, sich registrieren zu lassen, um jemand anderen auch ein so schönes Geschenk zu machen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Viele Grüße
Irmgard Hartmann
Einfach nur wundervoll. Danke, dass du auch dabei bist. Ich bin ebenfalls seit vielen Jahren registriert und hoffe das ich irgendwann auch mal helfen kann.
GROSSARTIGES ENGAGEMENT! Eine kleine, gute Tat kann enorme und unvorstellbare Auswirkungen haben. Ich drücke fest die Daumen, dass der Empfängerin ein langes und beschwerdefreies Leben bevorsteht. Alles Gute auch für Sie!
Wunderbare Geschichte (hoffentlich auch langfristig mit Happy End) und prima, dass du deine Erfahrungen hier teilst und einigen Restzweiflern vielleicht den letzten Anschwung gibst! Ich bin auch schon seit Schulzeiten registriert und immer wieder erstaunt, wie gut die DKMS organisiert ist.
Vielen Dank für die Aufklärung zu dem Thema in Ihrem Beitrag. Zudem ist es gut wenn wir die Westfalen AG als Arzneimittelhersteller im Sinne unserer Kunden, den Patienten und Kliniken hier auch ein bisschen Vorbild sind und viele Kollegen sich zur Registrierung entschliessen können.
Alles Gute wünsche ich Ihnen.
Danke! Bester Blog-Beitrag hier ever.
Hab es gelesen und direkt die Registrierung ausgefüllt.
Vielen Dank für diesen tollen Blog und Ihr Engagement. Schön, dass auch Sie dabei sind und wirklich helfen konnten. Der Blog wird, da bin ich mir sicher, weitere Menschen bewegen den einfachen Schritt zur Registrierung zu gehen.
DANKE.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!