Erlebnis E-Cannonball 2020
Elektroautos sind eine Säule der Mobilität von Morgen. Aber wie schlägt sich ein aktuelles Modell im Alltag? Wo liegt der Sweetspot, also das optimale Verhältnis von Reisegeschwindigkeit, Ladegeschwindigkeit und Energieverbrauch? Und wie steht’s eigentlich um den Fahrkomfort? Zeit für eine Vergleichsfahrt – beim E-Cannonball 2020.
Wir beide, Danny und Ron, begeistern uns schon seit wir denken können für den Motorsport. Das Benzin liegt uns seit unserer Kindheit im Blut. Von klein auf und später auch an der Uni, wo wir eine Fahrgemeinschaft gründeten, waren wir öfter auf der Rennstrecke und immer von Sportwagen fasziniert. Mittlerweile beschäftigen wir uns beide intensiv mit der E-Mobilität – und saugen alle Infos zum Thema auf. Wir wollen Firstmover sein!
Wobei Danny da schon weiter vorne ist: Nach der Hybridversion seiner Mercedes-Benz E-Klasse sicherte er sich vor Kurzem einen der ersten Polestar 2 am deutschen Markt. Ron ist noch in der Entscheidungsfindung, wird aber sicher E-Autos für verschiedene Einsatzzwecke nutzen, z.B. auf der Kurzstrecke. Da kommt es wie gerufen, dass Danny kurzfristig von seiner Bewerbung für den E-Cannonball 2020 berichtet, die größte Verbrauchs-Vergleichsfahrt für E-Autos im deutschsprachigen Raum. Ron ist schnell begeistert – also es kann gemeinsam an den Start gehen.
Effiziente Akkustrategie – Attacke!
Gerade noch rechtzeitig trifft im September der Polestar 2 ein, sodass die Renn-Beteiligung nicht mehr kippelt. Das brandneue und sehr leistungsstarke Modell aus dem Volvo-Geely-Joint-Venture ist sicher einer der Gründe, warum wir mit unserer Bewerbung für das Event erfolgreich waren. Denn die Veranstaltung zeichnet sich durch einen gesunden Mix aus neuen und etablierten Fahrzeugen aus. Nun soll es für uns ab nach Berlin gehen, und von dort aus – „Go West“ – nach Moers in NRW. In Konkurrenz mit 60 weiteren Teams. Gegen die Zeit. Mit der effizientesten Akku-Strategie. Und Aufgaben, die es in sich haben… 😉
Wir bereiten uns schon bei der Anreise von Lörrach an der schweizerischen Grenze nach Berlin intensiv vor. Wir legen den Finger an den Puls unseres Fahrzeugs, dokumentieren punktgenau, wie sich der Akkuverbrauch bei einzelnen Geschwindigkeiten verhält. Wir sammeln allerhand Daten per Software – die Daten sind die Basis für unsere Strategie. Auch die Ladestopps unterwegs nutzen wir für Erfahrungswerte. Schnell ist klar, dass wir nur auf Schnelllader setzen wollen. Alles andere wäre Zeitverschwendung, denn normale E-Ladesäulen brauchen ein Vielfaches länger.
Mit der Rallye springen wir direkt ins kalte Wasser, denn Danny ist gerade mal 3.000 Kilometer mit dem Polestar 2 gefahren. Umso besser ist es, dass wir jetzt, wie bei jeder Rallye, eine klare Aufgabenteilung haben: Einer fährt und der andere analysiert sehr genau die Daten und entwickelt die Strategie. So finden wir auf dem Weg nach Berlin auch den Sweetspot des Polestar 2 bei rund 145 km/h. Damit ist klar: Wir werden Attacke fahren – natürlich immer im Rahmen der geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen, denn wir haben einen GPS-Tracker an Bord und es gibt Strafzeiten, wenn wir uns nicht an die StVO halten.
Begeisternder Spirit – hektischer Start
Doch bevor es losgeht, ist am ersten Veranstaltungstag ein großes Schaulaufen angesagt. Alle 60 Teams präsentieren sich mit ihren Fahrzeugen und stehen den zahlreichen Zuschauern Rede und Antwort. Dank eines sehr guten Corona-Präventionskonzepts fühlen wir uns da sehr sicher und freuen uns über den Austausch mit den angereisten Elektroautofans unter freiem Himmel. Wir nehmen uns nicht als Konkurrenten wahr, sondern sind Mitstreiter auf Augenhöhe. Besonders beeindruckt uns das Spektrum der teilnehmenden Fahrzeuge in den verschiedenen Leistungsklassen – vom umgebauten VW Käfer bis zum elektrischen Porsche Taycan ist alles dabei. Uns begeistert sofort der Spirit der Elektroauto-Community – und unsere Aufregung steigt langsam…
Am Renntag stehen wir dann um 6 Uhr am Start. Eine Stunde später geht es los. Die Fahrzeuge mit der kleinsten Batteriekapazität starten zuerst, die mit dem größten Akku am Ende. Wir gehören in die obere Leistungskategorie und haben daher ein festgelegtes Handicap: Wir dürfen mit höchstens 50 Prozent Akkuladung losfahren und müssen auch mit mindestens 50 Prozent am Ziel ankommen. Vor dem Start fahren wir unseren Akku schonmal warm, denn auf den ersten Kilometern verbraucht das Fahrzeug mit kaltem Akku überproportional viel. Schon bald sind wir bei den gewünschten 50 Prozent. 🙂
Direkt am Start bekommen wir unsere Sonderaufgaben in einem Umschlag überreicht und es tritt auch das ein, was Ron schon vorausgesagt hatte: Die Tour soll durch den Harz gehen, rauf auf den Wurmberg für eine Sonderprüfung. Eine weitere Aufgabe ist in Einbeck (Niedersachsen) vorgesehen. Das sind nun also unsere Zwischenstopps auf dem Weg nach Moers.
Mit dem Startschuss wird es dann hektisch. Wir planen unsere Route mit der Software, die wir auf der Anreise fleißig mit Daten gefüttert haben. Wir müssen uns realistische Ladepunkte suchen, die wir erreichen können – idealerweise Schnelllader. So kommt für uns auf der ersten Etappe nur ein großer unabhängiger Ladepark im Landkreis Börde in Frage. Dort gibt es genügend Schnelllader – allerdings müssen wir unsere Mitstreiter im Auge behalten, die dort sicher ebenfalls aufschlagen werden.
Vom Limit zurück auf null – und ab auf den Wurmberg
Auf dem Weg zum ersten Ladespot geht es dann richtig zur Sache. Wir fahren konsequent auf dem errechneten Sweetspot. Dabei haben wir das weitere Fahrerfeld meist direkt in Sicht. Tatsächlich gehen wir bis an die Grenze des Machbaren – das Fahrzeug meldet uns kurz vor dem Ladepark, dass wir es aufgrund der niedrigen Akkuladung jetzt sicher am Fahrbahnrand abstellen sollen. Im Park kommen wir dann punktgenau mit 0 Kilometern Reichweite an. Das war zwar knapp – aber genau so kalkuliert! 😉
Vor Ort ist dann sehr viel los, die meisten anderen Teilnehmer sind auch schon hier. Wir können uns zum Glück bei den Schnellladern dazwischentakten und laden dann von 0 auf 80 Prozent in circa 40 Minuten auf. Die erreichte Akku-Nulllinie macht es uns dabei nicht ganz so leicht, weil das Laden der ersten 5 Prozent erst einmal länger dauert. Danach geht es wieder zackiger. Man sollte allerdings niemals bis 100 Prozent gehen, weil das dem Akku schadet – und gerade die letzten Prozente dauern auch sehr lange.
Dann geht es weiter durch den Harz – rauf auf den Wurmberg. Das Fahrverhalten, gerade auch in dieser bergigen Gegend, ist einfach genial: Der Polestar 2 kann mit jedem leistungsstarken Verbrenner locker mithalten. Dabei ist das Drehmoment sofort zur Stelle, selbst in der Steigung. So meistern wir den Wurmberg ohne Probleme und holen uns den Wanderstempel für die Sonderprüfung am Parkplatz Hexenritt ab.
(Foto: JesterWr, CC BY-SA 3.0 DE <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en>, via Wikimedia Commons)
Danach visieren wir westlich vom Harz die Stadt Einbeck für die nächste Sonderprüfung an. Auch die schaffen wir ohne Probleme. Wir erstellen ein Foto als Beweis für die gelöste Aufgabe. Danach geht es weiter über Landstraßen, womit wir uns einige Autobahn-Extrakilometer sparen wollen. Aufgrund der Überlandfahrt wollen wir einen vereinzelten Schnelllader zwischen Paderborn und Höxter ansteuern, den wir natürlich auch wieder noch gerade eben erreichen können. Und damit ist unser Schicksal besiegelt…
Welches Schicksal ist gemeint? Wie geht es weiter? Das erfahrt Ihr hier: 2. Teil – am Freitag, 20.11.20!
Zu den Autoren:
Danny von Beinen lebt im Raum Lörrach und ist als Wirtschaftsingenieur im Vertrieb für einen großen Hersteller von Systemen für die Energie- und Datenübertragung tätig.
Ron Glücksberg lebt im Kanton Solothurn in der Schweiz, wo er als Wirtschaftsingenieur im Qualitätsmanagement eines großen Uhrenherstellers arbeitet.
Super interessanter Bericht und sehr hilfreich Motiviert sich intensiver mit der Elektromobilitaet zu beschäftigen auch wenn man „Benzin im Blut“hat